Das leidige Thema mit dem Mindset

Warum Werte und Prinzipien mehr helfen als Parolen

Wenn heute über agile Transformationen gesprochen wird, fällt früher oder später das Schlagwort Mindset. Vor einigen Jahren war das Thema allgegenwärtig, inzwischen ist es meiner Wahrnehmung nach deutlich ruhiger darum geworden. Vielleicht auch deshalb, weil es eng mit dem Begriff Agilität verknüpft ist und dieser in vielen Organisationen heute kein besonders gutes Standing mehr hat.

Für mich bedeutet Mindset die Haltung und Denkweise, die unser Handeln prägt. Anders gesagt: die innere Logik, mit der wir Entscheidungen treffen und zusammenarbeiten.

Vor knapp zehn Jahren habe ich bei meinem damaligen Arbeitgeber erlebt, wie wir dieses Thema zum ersten Mal ganz praktisch angehen mussten. Nicht aus Selbstzweck, sondern weil wir mit den klassischen Bordmitteln der Komplexität nicht mehr Herr wurden.

Der Ausgangspunkt: Regulatorik im Takt der Metronome

Wir standen damals vor der Aufgabe, aufsichtsrechtliche Reporting-Anforderungen von Basel, Bafin und anderen Institutionen umzusetzen. Diese kamen gefühlt im Zweiwochenrhythmus. Klar war meist nur eines: der viel zu enge Endtermin.

Also begannen Fachbereiche und IT, agile Arbeitsweisen einzuführen. Rollen, Prozesse und Tools waren schnell etabliert, doch die erhoffte Wirkung blieb aus. Bald merkten wir, dass wir auch die weichen Themen anpacken mussten: Zusammenarbeit, Haltung, Verständnis füreinander.

Für viele Banker, gerade in IT und Banksteuerung, war das zunächst suspekt. Manche bezeichneten es sogar offen als „Esoterik“. Diskussionen und Workshops liefen zäh an. Doch es wurde klar: Wir wussten, was wir erreichen mussten. Uneinigkeit gab es beim Wie. Genau hier kam das Thema Mindset ins Spiel.

Orientierung durch Werte und Prinzipien

Wir suchten nach einem Fundament und fanden es in den agilen Werten und Prinzipien. Fokus, Offenheit, Respekt, iteratives Vorgehen und permanente Verbesserung gaben uns erste Orientierung.

Werte auf ein Poster zu schreiben bringt wenig. Deshalb haben wir in Workshops sortiert und priorisiert, welche Werte und Prinzipien für uns den Unterschied machen. Auf dieser Grundlage haben wir abgeleitet, was wir im Alltag konkret tun müssen, um entlang dieser Orientierung zu arbeiten und sie spürbar zu machen. Hier ein paar wenige Beispiele:

  • Wir schnitten Themen in kleinere Einheiten.
  • Wir machten Planung und Fortschritt transparent.
  • Wir etablierten sachliche, faire Kommunikation.
  • Wir führten Feedbackrunden am Ende jeder Planungssession ein.

Damit wurde aus großen Worten greifbare Praxis.

Mindset ist kein Event, sondern ein Prozess

Eine wichtige Erkenntnis: Ein Mindset lässt sich nicht trainieren. Es verändert sich über Zeit durch Erlebnisse, Reflexion und konsequentes Dranbleiben.

Wir bauten deshalb Workshop-Reihen auf, in denen wir regelmäßig reflektierten: Halten wir uns an unsere Regeln? Wo klappt es? Wo nicht? Welche Anpassungen brauchen wir?

Oft half dabei ein neutraler Facilitator, auch heikle Themen sachlich anzusprechen.

Es war kein linearer Weg. Manche Maßnahmen haben wir wieder verworfen. Manche Überzeugungen, die anfangs für alle gesetzt schienen, mussten wir neu verhandeln.

Vom Team zur Organisation und zur Person

Spannend war die Parallele zu HR. Dort wurde ein Wertesystem für das gesamte Haus entwickelt. Die Überschneidungen mit unseren Teamwerten waren frappierend.

Besonders hilfreich war, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter sich verpflichtete, einen persönlichen Wert auszuwählen und daran zu arbeiten – inklusive konkreter Schritte. Dies wurde sogar in den Jahresgesprächen festgehalten.

Auch für mich selbst war das eine prägende Phase. Mein persönliches Ziel damals: ich hatte den Kontakt zu den Teams verloren und merkte, dass mir die Bindung fehlte. Und das, obwohl ich eigentlich die Brücke zwischen Top-Management und Teamebene schlagen sollte. Meine Maßnahme war radikal einfach: raus aus dem Einzelbüro, rein ins Team. Mein Büro wurde kurzerhand zum Besprechungsraum, während ich meinen Platz mitten zwischen den Kolleginnen und Kollegen nahm.

So entstand eine Art Trichter-Modell. Auf Organisationsebene eine breite Wertebasis. Auf Teamebene die Werte, die uns gemeinsam halfen. Auf individueller Ebene persönliche Fokusthemen und Entwicklungsschritte.

Rückblick und Brücke in die Gegenwart

Im Rückblick war unser Ansatz zielführend. Wir haben ein gemeinsames Verständnis geschaffen, Werte priorisiert, konkrete Arbeitsweisen abgeleitet und regelmäßig reflektiert.

Heute, zehn Jahre später, finde ich spannend, wie aktuell die Diskussion immer noch ist. Wissenschaftler fragen, ob ein Mindset statisch ist oder sich bewusst verändern lässt. Organisationen ringen mit der Frage, ob wirklich alle ein agiles Mindset haben müssen. Und ich erlebe immer wieder, wie sehr Selbstbild und Fremdbild von Führungskräften auseinandergehen können.

All das zeigt mir: Das Thema Mindset bleibt ein Prozess. Ein Spiegel, in den Teams, Organisationen und Individuen immer wieder schauen sollten.

Lessons Learned und Ausblick

Im Rückblick war unser Ansatz zielführend: Wir haben ein gemeinsames Verständnis geschaffen, Werte priorisiert, konkrete Arbeitsweisen abgeleitet und regelmäßig reflektiert. Ich habe damals allerdings unterschätzt, wie viel Zeit es braucht, ein gemeinsames Verständnis zu den Werten und Prinzipien herzustellen. Heute würde ich dafür deutlich mehr Raum für Diskussionen geben. Das baut Widerstände ab und schafft nachhaltige Verbindlichkeit.

Für mich zeigt sich bis heute, dass Mindset-Arbeit nur dann Wirkung entfaltet, wenn sie entlang klarer Werte und Prinzipien geschieht, wenn Teams konkrete Praktiken statt bloßer Parolen nutzen und wenn Führung den Rahmen sichtbar und verlässlich gestaltet.

Spannend bleibt für mich die Frage, wie sich dieses Thema mit Modellen wie Flight Levels verbinden lässt. Denn so wie Strategie, Koordination und Umsetzung über alle Ebenen hinweg aufeinander abgestimmt sein müssen, gilt das auch für das Mindset. Auf strategischer Ebene braucht es ein gemeinsames Verständnis, welche Haltung Veränderung möglich macht. Auf koordinierender Ebene muss diese Haltung den Rahmen für Zusammenarbeit bilden. Und auf umsetzender Ebene entscheidet sie darüber, ob Teams in ihrer täglichen Arbeit wirklich wirksam sein können.

So wird aus dem leidigen Thema Mindset kein loses Schlagwort, sondern ein praktisches Instrument. Verankert auf allen Ebenen einer Organisation.

Und für alle, die noch tiefer einsteigen möchten: Eine wissenschaftliche Perspektive auf das Thema Mindset gibt es im Podcast „Die Wertstoffsammler“.